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Weihnachten in der Heimat – safety first, immer und überall

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Als ich am Gepaeckband des Duesseldorfer Flughafens ankomme um mein Gepaeck abzuholen muss ich gleich ein wenig schmunzeln. Da stehen die Leute Schulter an Schulter nebeneinander und in drei Reihen hintereinander. Die Schienbeine der Leute in der vordersten Reihe haben Kontakt mit dem Metallrahmen des Gepaeckbandes, und alle schauen gespannt und vornueber gebeugt auf das Loch in der Wand aus dem gleich die Gepaeckstuecke erscheinen wuerden. Spaetestens in dem Moment merke ich, dass ich zurueck in Deutschland bin.

 

Gluecklicherweise enthaelt mein Arbeitsvertrag einen kostenlosen Heimflug pro Jahr. Diesen nutzte ich auch dieses Mal wieder zu einem Heimatbesuch ueber Weihnachten und Neujahr. Die Feiertage will ich nach wie vor bei der Familie verbringen und die freie Zeit nutzen, um Freunde und Bekannte wieder zu treffen. Ausserdem geben mir die jaehrlichen Besuche die Moeglichkeit zu hinterfragen und zu reflektieren, inwieweit ich auf dem richtigen Kurs bin und was fuer mich von Bedeutung ist.

 

Die Familie und langjaehrige Freundschaften halte ich fuer unersetzlich, und genau deshalb habe ich die vergangenen zweieinhalb Wochen sehr genossen. Aber gleichzeitig habe ich mich von Anfang an auf den Tag gefreut an dem es wieder zurueck nach Australien geht. Denn ich kann mir nicht helfen – ein Leben in Deutschland kann ich mir zumindest in naher Zukunft nicht mehr vorstellen. Dazu gibt es zu viele und zu grosse Unterschiede zwischen den Werten die fuer mich im Leben von Bedeutung sind, und denen die meiner Erfahrung nach in Deutschland wichtig sind.

 

Ich habe den Eindruck, dass z.B. Sicherheit ein Wert von zentraler Bedeutung in Deutschland ist. Sicherheit was die Zukunft bringt, Sicherheit vor Unfaellen aller Art, finanzielle Sicherheit, Sicherheit den Arbeitsplatz betreffend, alles dreht sich um totale Sicherheit und Schutz vor allem und jedem. Wenn es in Deutschland eine Versicherung gegen “negative Erfahrungen allgemein” gaebe, ich glaube sie faende reissenden Absatz. Ich glaube, dass es im Leben zu keiner Zeit und an keinem Ort totale Sicherheit gibt, und deshalb ist das ein Rennen das man nicht gewinnen kann. Eben nicht zu wissen was morgen passiert macht fuer mich auch einen Reiz im Leben aus. Sehr haeufig wird nach Gruenden gesucht, weshalb man etwas nicht tun oder nicht ausprobieren sollte. Bizarre Szenarien werden kreiert und Risiken ueberproportioniert, um Dinge zu finden die schiefgehen koennten. Mir ist kein Mensch bekannt, der es mit dieser Mentalitaet im Leben zu Erfolg egal welcher Art gebracht hat. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Dabei ist Fehler zu begehen und hin und wieder die falsche Entscheidung zu treffen ein essentieller und unersetzlicher Teil des Lernens und des Lebens.

 

Es ist eine allgegenwaertige Versuchung Dinge zu kontrollieren, auf die man eigentlich keinen oder wenig Einfluss hat. Dieser Versuchung bemuehe ich zu widerstehen, wann immer ich kann. Umso mehr versuche ich das Beste aus allem zu machen das ich kontrollieren kann. Das ist eine Mentalitaet die im australischen Sportsystem inklusive des australischen Olympiateams gepredigt und auch wirklich gelebt wird. Wer Ausreden hat oder andere Dingen oder Menschen verantwortlich macht fuer den eigenen Misserfolg wird hier schnell ein unbeliebter Aussenseiter. Damit bin ich voll konform.

Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind fuer mich Werte von hoechster Bedeutung. Vor allem bei Letzterem werde ich sehr schnell zu einem leidenschaftlichen Referenten:

Ich empfinde naemlich z.B., dass in Deutschland Anreiz und Motivation, aber auch Belohnung fuer eigenverantwortliches Handeln auf ein gefaehrlich niedriges Mass reduziert werden. Stattdessen wird ueberreguliert und nach Wohlstand fuer alle und jeden gestrebt. Das Ergebnis ist eine Mentalitaet die den Staat und das System einem selbst gegenueber in der Bringschuld sieht. Ich halte das fuer ziemlichen Quatsch und fuer eine weltfremde und zum Scheitern verurteilte Mentalitaet fuer die ich wenig Zeit und Respekt uebrig habe.

Der einzige der mir etwas schuldet bin ich selbst. Was andere fuer mich tun oder nicht kann und will ich nicht beeinflussen. Das gleiche gilt im Uebrigen fuer den Leistungssport. Mich wuerde ueberraschen, wenn ein Roger Federer, Michael Jordan, Muhammad Ali oder Lionel Messi jemand anderes als sich selbst fuer den eigenen Misserfolg verantwortlich machte. Im Moment des eigenen Erfolges hingegen sind die Genannten allesamt dankbar und demuetig jeder Unterstuetzung von aussen gegenueber. Sport eignet sich deshalb ausgezeichnet als Schule fuers Leben. Die Verantwortung fuer den eigenen Erfolg oder Misserfolg traegt jeder Mensch an allererster Stelle selbst.

 

“Hello Mr. Lang, welcome back. You have been upgraded to Business Class,” begruesst mich die Emirates Airlines Mitarbeiterin freundlich am Check-In des Duesseldorfer Flughafens. Na das ist doch ein guter Reisestart, dachte ich mir. Auch wenn ich die Wegstrecke Europa – Australien oder andersherum nun gut 20mal absolviert habe und bei mir ein gewisser Gewoehnungsprozess eingesetzt hat, ein Vergnuegen ist sie nie. Die Aussicht auf einen bequemen Liegesitz mit ausreichend Beinfreiheit, sowie diverse extra Services fuer den ersten Teil der Strecke bis Dubai sorgten bei mir deshalb fuer Heiterkeit. Der Sitzplatz war letztlich so bequem, dass ich die kompletten sechseinhalb Stunden Flugdauer im Tiefschlaf verbrachte. In Dubai angekommen machte ich mich direkt auf zum Transfer Desk um nach einem eventuell verfuegbaren Platz in der Notausgangreihe fuer den zweiten Reiseteil Dubai – Brisbane zu fragen. Die Antwort war nein, da der komplette A380 bis auf zwei Plaetze ausgebucht sei. Ich grummelte vor mich hin und bereitete mich auf 14-einhalb Flugstunden, restless legs, Nicht-Schlafen-Koennen und Langeweile vor.

 

Am Fluggate erlebte ich dann jedoch ein Deja-vu, ich hatte unglaubliches Glueck: “Hello Mr. Lang, welcome back. You have been upgraded to Business Class,” laechelte mich die Flugbegleiterin an. Blitzartig war meine gedrueckte Laune weg und ich war in Partystimmung. Bei einem 14-einhalb Stunden Flug macht so ein Upgrade einen grossen Unterschied.

Der Airbus A380 ist gross, maechtig und behaebig. So behaebig, dass er fast die komplette Boenener Bahnhofstrasse Anlauf nehmen muss, um seinen dicken Hintern in die Luft zu kriegen.

Die Emirates Business Class im Airbus A380 muss man sich hingegen etwa so vorstellen: Man sitzt in einem ueberbequemen Massagesessel, den man wahlweise zwischen Buerostuhl, Fernsehsessel oder Bett hin- und herfunktionieren kann, hat neben sich einen Schreibtisch und vor sich einen Flatscreen. Alles ist mit einem mobilen Touchpad elektronisch bedienbar, etwa wie bei Raumschiff Enterprise. Essen und trinken kann man bis der Arzt kommt, und die neuesten Filme und Musik hat man selbstverstaendlich auch.

 

Gerade in einem Moment wie jetzt halte ich mir bewusst einen Spiegel vors geistige Auge: Ich sitze hier in der Business Class des groessten Verkehrsflugzeugs der Welt, knabbere an Rotwein und diversen hors d’oeuvre, die ich mir habe kommen lassen und fliege vom einen (dem alten in Deutschland) zum anderen Leben (dem neuen in Australien). Und das Ganze ohne dafuer einen Cent zu bezahlen.

Dass ich so etwas tun kann ist ein Privileg. Mir geht es echt gut, und ich weiss, dass dazu auch Glueck und Unterstuetzung gehoert. Dafuer bin ich dankbar, denn ich weiss, dass es sich jeden Tag aendern kann.

 

Ich bin nun die dritte Woche zurueck im Buero, und es wartet eine Menge Arbeit auf mich. 2014 ist ein sehr geschaeftiges Jahr mit vielen internationalen und nationalen Hoehepunkten. Zudem will ich in ein neues Appartment umziehen, das ich erst noch endgueltig finden muss.

Auch in diesem Jahr also keine Langeweile in Australien…

 

Viele Gruesse aus Down Under

 

Jens Lang


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